Deine Lebensgeschichte zu erinnern und festzuhalten, kann dir ungeahnte Kraft spenden und heilen. Dabei ist es unerheblich, auf welche Weise du das tust. Am wirkungsvollsten ist es, wenn du die Reise in das Mosaik von vergangenen Erlebnissen und Gefühlen, von inneren Bildern und aktuellen Mustern mit Blatt und Stift antrittst.
Beim Biografischen Schreiben geht es darum, die eigene Lebensgeschichte zu erkunden und zu reflektieren. Dabei ist es unerheblich, ob du chronologisch oder im Puzzle-Prinzip vorgehst. Du kannst lyrisch schreiben, bruchstückhafte Szenen mit Worten „malen“. Du kannst aus Bildmaterial und deinen Texten Collagen anfertigen. Der Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt.
Als Teil der narrativen Psychologie bietet das Schreiben über die eigene Lebensgeschichte nicht nur eine Möglichkeit zur Selbstreflexion, sondern auch zur Heilung und Stärkung deiner eigenen Psyche. In diesem Blogartikel möchte ich die kraftvollen Vorteile des Biografischen Schreibens aufzeigen und auf die vertiefende Wirkung des handschriftlichen Schreibens eingehen.
Was ist Biografisches Schreiben?
Biografisches Schreiben ist das bewusste Aufzeichnen der eigenen Lebensgeschichte. Es geht darum, bedeutende Ereignisse, persönliche Erlebnisse und prägende Momente niederzuschreiben. Dieser Prozess hilft, das eigene Leben aus einem zeitlichen und räumlichen Abstand aufzuschreiben. Dabei stellen sich für dich neue Perspektiven ein. Schreibend kannst du tiefgreifende Einsichten über deine Lebensgeschichte und Veränderungen im Selbstverständnis erleben.
Lebensgeschichte und narrative Psychologie
Die narrative Psychologie ist ein Ansatz innerhalb der Psychologie. Hier legt der Fokus darauf, welche Wirkungen die Geschichten, die wir uns und anderen erzählen, haben. Was und vor allem wie erzählst du über dein Leben? Diese Lebensgeschichten prägen deine Identität und die Wahrnehmung deiner Welt. Durch das Erzählen und Aufschreiben kannst du Muster erkennen, Bedeutungen neu interpretieren und dein Selbstbild positiv verändern. In meinen Schreibwerkstätten mit traumatisierten Menschen ergibt sich bei vielen die Erkenntnis: „Meine traumatischen Erlebnisse sind Teil meines Lebens. Sie haben mich geprägt. ABER ich bin so viel mehr. Ich BIN nicht mein Trauma.“
Die heilende Kraft des Schreibens
Der Psychologieprofessor James Pennebaker ist einer der vielen Wisschenschaftler, die sich mit der heilenden Wirkung des Schreiben befasst haben. Im Folgenden sind hier einige der gut erforschten Wirkungen des Biografischen Schreibens zusammengefasst. Natürlich geht nichts über die eigenen Erfahrungen, die du mit dem Schreiben machen kannst.
1. Selbstreflexion und Selbsterkenntnis:
Das Schreiben über das eigene Leben hilft dabei, innezuhalten und über unsere Erfahrungen nachzudenken. Dieser Reflexionsprozess kann zu tiefen Einsichten führen und uns helfen, uns selbst besser zu verstehen.
2. Emotionale Verarbeitung:
Indem wir unsere Gefühle und Gedanken zu Papier bringen, können wir emotionalen Ballast loswerden. Es ist oft leichter, schwierige Emotionen zu verarbeiten, wenn wir sie ausdrücken und wertschätzend einordnen können.
3. Stressabbau und Wohlbefinden:
Studien haben gezeigt, dass das Schreiben über belastende Ereignisse das Stressniveau senken und das allgemeine Wohlbefinden steigern kann. Das Schreiben als Handlung wirkt in der Folge beruhigend und selbst physische Gesundheitsvorteile wurden nachgewiesen.
4. Förderung der Kreativität:
Das Biografische Schreiben kann unsere kreative, neugierige und offene Seite wecken. Die Suche nach Worten, um all die kleinen und großen Lebensgeschichten festzuhalten, ist ein kreativer Prozess. „Es schreibt mich“, sagen einige Teilnehmende. Es braucht häufig den passenden Impuls.
5. Stärkung des Selbstbewusstseins:
Durch das Aufschreiben und Reflektieren unserer Erfolge und Herausforderungen können wir unser Selbstbewusstsein stärken. Wir erkennen unsere Stärken und Ressourcen und entwickeln ein umfassenderes und positiveres Selbstbild.
Die Magie der handschriftlichen Lebensgeschichte
In einer Welt, die von digitalen Medien dominiert wird, mutet das handschriftliche Schreiben altmodisch an. Es gibt einige Menschen, die lieber und schneller auf der Tastatur schreiben als mit der Hand. Doch gerade das Schreiben mit dem Stift in der Hand hat eine stärkende Wirkung, die darüber hinaus geht.
1. Du bekommst eine tiefere Verbindung zu deinen Gedanken:
Wenn wir mit der Hand schreiben, verlangsamt sich automatisch unser Denkprozess. Dies ermöglicht eine intensivere und tiefergehende Auseinandersetzung mit den Gedanken und Gefühlen, die sich ihren Weg ins Bewusstsein bahnen. Die allermeisten Gedanken tauchen nur kurz auf und tauchen genauso schnell wieder in den See des Unbewussten ab.
2. Du förderst deine Achtsamkeit:
Handschriftliches Schreiben erfordert mehr Konzentration und Wahrnehmen. Es hilft uns, im Moment zu bleiben und eine achtsame Verbindung zu unserer Lebensgeschichte herzustellen. Gleichzeitig bietet die Hand einen fokussierenden Weg zur eigenen Geschichte, eine Verbindung zum inneren roten Faden.
3. Du machst eine verlangsamte sensorische Erfahrung:
Das Gefühl des Stiftes auf dem Papier, der Anblick der eigenen Handschrift – all das schafft eine sinnliche und persönliche Verbindung zu unseren Worten. Diese Erfahrung wirkt fast meditativ. Das Schreiben mit der Hand kann ein zutiefst befriedigende Erfahrung sein- was und in welcher Form sind da meine Gedanken auf das Blatt geflossen?
4. Du baust dein Gedächtnis und Verständnis aus:
Studien haben gezeigt, dass das handschriftliche Schreiben das Gedächtnis und das Verständnis fördert. Die physische Aktivität des Schreibens stärkt die neuronalen Verbindungen im Gehirn und unterstützt so den Lern- und Erinnerungsprozess. Aus diesem Grunde werden Kinder in der Schule zum Schreiben angehalten.
Meine Reise mit dem Biografischen Schreiben
Das Schreiben begann vor vielen Jahren, als ich mich in einer fordernden Lebensphase befand. Ich begann meine Morgenseiten (ein Impuls von Julia Cameron) zu schreiben und stolperte dann sogar über einen Masterstudiengang „Kreatives und Biografisches Schreiben“ in Berlin. Besonders das Schreiben mit der Hand hatte eine nachhaltige Wirkung auf mich. Es fühlte sich an, als würde ich mir eine direkte Verbindung zu meinem Innersten erschreiben. Meine „Schreibe“ war wie eine vermittelnde Instanz zwischen meinem Herzen und meinem Selbstbild.
Durch das Biografische Schreiben habe ich gelernt, meine Lebensgeschichte zu erforschen und vor allem wertzuschätzen. Es hat mir geholfen, Frieden mit meiner Vergangenheit zu schließen und die Brücke zu einer positiven Vision für meine Zukunft zu entwickeln.
Ich habe mit den unterschiedlichsten Menschen geschrieben. Aktuell berührt mich die Schreibwerkstatt mit Menschen, die in ihrer Kindheit traumatische Erlebnisse in Kinderverschickungen erdulden mussten.
Fazit
Das Biografische Schreiben ist eine kraftvolle Methode, um die eigene Lebensgeschichte zu erkunden und zu reflektieren. Es bietet zahlreiche Vorteile für die emotionale und physische Gesundheit. Schreiben kann eine tiefgreifende, heilende Wirkung entfalten. Besonders das handschriftliche Tun hilft, eine tiefere Verbindung zu den vielen leisen, flüchtigen Gedanken und Gefühlen herzustellen und sie dadurch einzufangen.
Wenn du noch nicht damit begonnen hast, deine Geschichten aufzuschreiben, lade ich dich ein, es auszuprobieren. Du wirst überrascht sein, welche Schätze du in deiner eigenen Lebensgeschichte entdecken kannst. Ich integriere deshalb das Schreiben in meinen Coachings und biete Schreibwerkstätten an. Melde dich gerne hier bei mir, wenn du mehr erfahren magst.
