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Achtsamkeit: Hype oder Segen? Was dahintersteckt.

„Achtsamkeit! Wenn ich das schon höre, könnte ich schreiend davonlaufen.“ Das war der Auftakt an diesem Abend. Die Lehrerin kam zu einem Netzwerktreffen unter Frauen. Sie ließ sich auf ihren Stuhl plumpsen. Sie hatte gerade eine lange Besprechung zu diesem Thema im Kollegium hinter sich. Sie war genervt und abgehetzt. „Magst Du einen alkoholfreien Sekt?“, fragten wir anderen sie. „Nee, bloß nicht. Jetzt nur kein Alkohol.“ Das wir ihr einen alkoholfreien Sekt anboten, kam nicht bei ihr an. Es dauerte seine Zeit, bis sie wirklich bei uns war.

Warum erzähle ich diese Geschichte? Achtsame Entschleunigung kann hier der Schlüssel sein.

Achtsamkeit wird gerne als ein trivialer Zeitvertreib von Leuten konnotiert, die sonst nichts zu tun haben und vergeistigt mit ihrem Gong spielen. Daher möchte ich nachfolgend einen sachlicheren Blick auf das Thema werfen: Ist die Achtsamkeit ein Hype oder tatsächlich ein wirksames Tool für deine mentale Gesundheit und dein Wohlbefinden? Und was sagen Wissenschaftler:innen dazu?

Peter Malinowski definiert Achtsamkeit kurz und bündig als „die nichtwertende Bewusstheit aller Erfahrungen, die im Moment des Erlebens auftauchen“ Dabei spielen zwei Faktoren zusammen: einmal die Aufmerksamkeitssteuerung (worauf, wie lange) und die innere, offene Haltung, die das Erleben prägt. Mit anderen Worten gibt es zwei Säulen, die zusammenspielen müssen, wenn wir von Achtsamkeit sprechen:
• Selbststeuerung der Aufmerksamkeit
• und das bewusst nicht-wertende Akzeptieren im Erleben.

Konzentration ist etwas anderes.

Wenn du ein spannendes Buch liest oder von einem wunderschönen Anblick gefangen stehen bleibst und du dich darauf konzentrierst, gehst du im Hier und Jetzt vollkommen auf. Das kann dich mit Glück und Sinn erfüllen. Allerdings ist diese Fähigkeit zur Konzentration etwas anderes als deine Fähigkeit, achtsam zu sein.

Du bist achtsam, wenn du eben nicht von etwas Spannendem vereinnahmt wirst, sondern dich auch in langweiligen Momenten nicht ablenken lässt. Du bleibst mit deiner Aufmerksamkeit bei einer Erfahrung – selbst wenn du den starken Impuls hast, etwas anderes zu tun oder zu denken. Am schnellsten kommst du bei gewohnheitsmäßigen Tätigkeiten, wie zum Beispiel dem Zähneputzen, auf vollkommen andere Gedanken. Ohne, dass du es bemerkst, machst du Pläne für morgen oder kreiselt im Kreisverkehr der Erinnerungen an eine bestimmte Situation.

Es geht ums Wahrnehmen ohne Bewertung.

Nehmen wir an, du achtest beim Zähneputzen genaustens darauf, was da vor sich geht. Es dauert nicht lange und es tauchen gedankliche Kategorien auf: zu lange, scharf, langweilig… Dein Geist ordnet: Gedanken, Gefühle, Interpretationen, Vorstellungen und Ideen. Erst wenn du es schaffst, auf nicht-wertende Weise deinem Erleben zu begegnen, kann sich der Geist beruhigen und du deine Aufmerksamkeit auf tiefe Weise steuern. Erst dann kannst du dich bewusst von deinen Gedanken und Gefühlen unabhängig machen.

Meditation ist geistiges Training.

Eine der gängigsten Wege, mir der du deine Achtsamkeit schulen kannst, ist die Meditation. Mit ihr machst du ein Übungsfeld auf. Während du zum Beispiel deinen Atem aufmerksam beobachtest, werden unvermeidlich andere Gedanken auftauchen. Dein Geist wird auf interessante gedankliche Abwege gehen. Der Autopilot nimmt dich mit auf Reisen.

Das Tolle ist, dass jede Ablenkung Chancen birgt:
• Die Ablenkung zu erkennen.
• Sie weiterziehen zu lassen.
• Die Aufmerksamkeit wieder zurückzubringen.

Wenn du diesen Kreislauf als Training für deine Achtsamkeit begreifst, dann kann dich das sehr unterstützen. Die unterschiedlichen Gehirnregionen, die durch das ständige Erkennen, Loslassen und Zurückkehren angesprochen werden, lassen sich bildgebend nachweisen. Achtsamkeit, so könnte man sagen, ist eine kräftigende Variante von Braingym.

Achtsamkeit: Entschleunigung funktioniert auch im Alltag.

Du musst weder stundenlang noch im unbequemen Schneidersitz meditieren, um achtsamer zu werden. Hier sind ein paar wirksame und direkt umsetzbare Autopilot-Unterbrechungen für alle Tage:
• Lege beim Essen bei jedem Bissen das Besteck ab.
• Lausche den Geräuschen, wenn du gehst
• Höre aufmerksam zu und lasse eigene Gedanken weiterziehen
• Mache eine Atempause, wen du eine gewöhnliche Tätigkeit, zum Beispiel einkaufen, machst
• Achte beim Autofahren auf deine Körperempfindungen
• Schreibe in dein Journal

Bitte entwickle deine Ideen weiter. Die kurzen Vorschläge sind nur fünf aus einem unerschöpflichen Reservoir an Möglichkeiten.

Ist die Achtsamkeit ein Hype oder steckt mehr dahinter?

Auch wenn das Thema wie eine Modeerscheinung daherkommt, ist es doch viel mehr. Etwas flapsig ausgedrückt geht es darum, Wege zu etablieren, um nicht wie ein Blatt im Sturm herumgewirbelt zu werden. Indem di dein Handeln, Denken und Fühlen entschleunigst bekommst du überhaupt mit, was da los ist. Du entmachtest der Autopilot und trainierst deine Wahlmöglichkeiten, deine psychologische Flexibilität und die Fähigkeit mit Herausforderungen umzugehen. Das macht dich nicht nur bewusster, sondern innerlich wesentlich stabiler. Deine Beziehungen, deine Gesundheit und selbst deine geistige Leistungsfähigkeit profitieren davon.

Die Lehrerin beim Netzwerktreffen hatte sich gegen die Verordnung von Achtsamkeit an ihrer Schule gewehrt. Dabei ging es ihr weniger um die Übungen an sich, sondern um den Druck. Hätte ich nicht achtsam sprich aufmerksam und bewertungsfrei – zugehört, hätte ich das nie erfahren.

Und jetzt bist du dran:

Stelle dir einen 5-minütigen Timer. Setze dich aufrecht hin und schließe deine Augen. Jetzt konzentriere dich auf deine Atmung – zähle bis 4 beim Einatmen, halte deinen Atem für 2 und zählen beim Ausatmen bis 4. Wiederhole diese Abfolge, bis die 5 Minuten vorbei sind. Versuche, dabei an nichts zu denken. Fokussiere dich einfach auf deine Atmung und spüre in dich hinein.
Wie fühlst du dich? Wenn du gerne tiefer gehen möchtest, dann melde dich sehr gerne bei mir hier.

Über mich
Hallo, ich bin Sabine
Ich bin systemischer Coach, hinterfragende Zuhörerin und wert­schätzen­de Sparrings­partnerin mit einem Faible fürs Praktische.

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