Hat dein Leben Sinn? – Manchmal sind es die kleinen, harmlos daherkommenden Fragen, die es wirklich in sich haben. Bei meiner Coaching-Ausbildung an der DGPP (Deutsche Gesellschaft für Positive Psychologie) wurden wir genau das gefragt. Nicken in der Runde. Dann die nächste Frage: Wer kann denn in einem Satz sagen, was der eigene Lebenssinn ist? Schweigen. Kniffelig. Obwohl wir die Frage bejahten, konnten wir nur wage umschreiben. Den Daseinszweck im Leben in wenige Worten zu fassen, war deutlich schwieriger.
Welchen Sinn misst du deinem Leben bei?
In diesem Blogbeitrag will ich einen Aspekt von Sinnerleben etwas genauer unter die Lupe nehmen: die Generativität. Erik H. Erikson hat in den 50`Jahren ein Modell entwickelt, in dem er altersentsprechende psychosoziale Entwicklungsstufen beschreibt. Bei der Generativität geht es um das Bedürfnis im mittleren Alter bis (damals) ca. 65 Jahre, auf individueller und kollektiver Ebene für die Zukunft zu sorgen. In dieser Sorge und der Übernahme von Verantwortung für künftige Generationen, liegt Potenzial für persönliches Sinnerleben. Gerade auf die Happy Longevity hat sie großen Einfluss.
Es wäre zu kurz gegriffen, allein das Kinderkriegen als generativen Akt zu definieren. Nachkommen zu zeugen ist ein Trieb, um die Art zu erhalten. Und ja, es kann ein stabiles Fundament und Lebensinhalt sein.
Aber hieße das dann, dass kinderlosen Menschen etwas fehlen würde?
Tatsächlich entsteht Generativität aus dem innersten Wunsch heraus, etwas Bleibendes in der Welt zu hinterlassen. Etwas zu erschaffen, das das eigene Dasein überdauert. Es geht um den sprichwörtlichen Fußabdruck auf dieser Welt. Dieses Bedürfnis, Spuren zu hinterlassen, fördert das Gefühl einen Existenzgrund zu haben, indem es die Perspektive vom kleinteiligen Alltag in eine weitaus größere Dimension eröffnet.
Du hinterlässt einen generativen Fußabdruck
Du fragst dich vielleicht, auf welche Weise du Spuren auf dieser Welt hinterlassen kannst- und hinterlässt. Wenn du dir im Klaren über die Vielfalt der Generativität bist, kannst du noch mehr das Potenzial für deinen Lebenssinn erschließen. Die Psychologen Anna Schoklitsch und Urs Baumann unterscheiden sechs Arten der Generativität:
- Kinder zu kriegen und sie großzuziehen ist die offensichtlichste Variante. Neben der Phase, die ich Rushhour des Lebens nenne, spielt hier das Großelternsein eine besondere Rolle. Aus eigener Erfahrung kann ich die besonders sinnerfüllenden Aspekte dieser Rolle hervorheben. Wenn die tagtäglichen Anforderungen an Elternschaft vorbei sind, wenn Gelassenheit und Reife dazukommen, dann ist die Dankbarkeit und die Liebe für dir zukünftige Generation besonders groß.
- Eine weitere Art der Generativität ist das Engagement in pädagogischen Berufen. Mitarbeitende in Kitas, Schulen, Jugendzentren, Vereinen sowie jegliche Förderung junger Menschen, auch ehrenamtlich, gehören dazu. Musikschulen, Freiwillige Helfer:innen in Sportvereinen, Ferienbetreuungen, Projekte für Kinder und Jugendliche und vieles mehr sind hier zu nennen.
- Unter technischer Generativität verstehen die Psychologen grob gesprochen das Weitergeben von Wissen. Dazu gehören sowohl Omas Rezeptbuch als auch die Erkenntnisse und praktischen Implikationen aus Wissenschaft und Forschung. Alles was die Entwicklung für zukünftige Genrationen vorantreibt zählt dazu.
- Eine weitere Art für Bleibendes zu sorgen, geht über sozialen Einfluss. Indem du deine Werte vermittelst und vorlebst, sei es im beruflichen oder privaten Kontext, hinterlässt du (möglicherweise prägende) Spuren. Noch Jahrzehnte später erzählen Auszubildende von besonders eindrucksvollen positiven Vorbildern und wie sehr sie ihren Werdegang geprägt haben. Politisches Engagement ist diesbezüglich ein wichtiger Faktor, beispielsweise „Omas gegen rechts“.
- Auch auf kulturelle Weise, ist es möglich der Zukunft etwas zu hinterlassen. Wenn du ein Buch schreibst, egal ob Gedichte, einen Roman oder deine Biografie, hinterlässt du etwas Bleibendes. Auch Musikstücke und jede andere Form von Kunst zählt hierzu. Architekten, Möbeltischler, Hobbytüftler hinterlassen wahre Schätze. Die Kultur ist ein wichtiger Aspekt der Generativität.
- Last but not least gibt es die ökologische Art des generativen Verhaltens. Hier geht es darum die Umwelt für die Zukunft zu schützen und lebenswert zu gestalten. Gerade die politische Einflussnahme zählt hierzu, zum Beispiel „Parents for Future“ oder die ökologische Umrüstung des Familienheims.
Entscheidend sind deine Motive
Das Motiv, das dich veranlasst, selbstlos und auf zukünftiges Leben ausgerichtet zu handeln, ist maßgeblich, in wie fern du das Potenzial der Generativität für den Sinn in deinem Leben ausschöpfen kannst.
- Gerade in Bezug auf Elternschaft spielen gesellschaftliche Anforderungen eine wichtige Rolle. Hast du den innersten Wunsch, Mutter oder Vater zu sein? Das spricht für Sinn und Lebensinhalt. Oder beugst du dich gesellschaftlichen Normen?
- Ein weiteres Motiv kann der Wunsch sein, gebraucht zu werden (the need to be needed). Dies meine ich ausdrücklich bewertungsfrei. Als Mensch sind wir soziale Wesen und in sozialen Kontexten eingebettet. Ist das Bedürfnis gebraucht zu werden, eher fürs Ich, oder für das Du?
- Auch die symbolische Unsterblichkeit als Motiv, kann entweder ein egozentriertes psychologisches Bedürfnis befriedigen oder dem Leben Sinnhaftigkeit verleihen.
- In jedem Fall zahlt der Glaube an eine gute Zukunft in das eigene Sinnerleben ein.
Auf der Suche nach dem Sinn in deinen Leben kannst du dich fragen:
Was hast du bisher für Entscheidungen getroffen, die deinem Leben eine neue Richtung gaben? Wie engagierst du dich mit Blick auf die Zukunft? Möglicherweise unterstützt dich das Wissen um dein generatives Handeln dabei, den Sinn in deinem Leben (noch prägnanter) zu erfassen. Inzwischen wissen wir durch aktuelle Forschungen, dass Sinnerleben einen wesentlichen positiven Einfluss auf die Happy Longevitiy hat. Wie immer kannst du dich gerne mit mir hier in Verbindung setzen, um diese und andere Fragen in Ruhe professionell zu erörtern.
Mein Leben ist reich, weil ich andere liebevoll zu ermächtige, ihr wahres Selbst in die Welt zu tragen. Das erfüllt mich. Und meine Enkelkinder sind ein riesengroßes generatives Geschenk dabei.